Ja zur Prämienentlastungs-Initiative
Seit Jahren steigen die Krankenkassenprämien nicht nur stärker als die Gesundheitskosten, sondern auch viel stärker als die Einkommen. Gleichzeitig stehlen sich viele Kantone bei den Prämienverbilligungen aus der Verantwortung. Die Konsequenz: Die Krankenkassenprämien sind heute für einen erheblichen Teil der Bevölkerung – darunter auch weite Teile des Mittelstands – zu einer grossen Belastung geworden. Dass die von den Kantonen gewährten Prämienverbilligungen nicht ausreichen, zeigt sich schon daran, dass die Versicherer jährlich rund 400’000 Menschen aufgrund ausstehender Zahlungen betreiben.1
Die von den Gewerkschaften und der SP eingereichte Volksinitiative will das ändern. Sie fordert, dass kein Haushalt mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien aufwenden muss. Dafür sollen auch die Beiträge des Bundes an die Prämienverbilligung erhöht werden. Das Parlament hat einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative verabschiedet, welcher die Kantone zu höheren Beiträgen für die Prämienverbilligung verpflichtet – sofern die Initiative abgelehnt wird. Der Gegenvorschlag reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die Bevölkerung spürbar zu entlasten und dem anhaltenden Prämienanstieg etwas entgegenzusetzen. Die GRÜNEN empfehlen darum die Annahme der Prämien-Entlastungs-Initiative.
Auch die Kostenbremsen-Initiative der Mitte gibt vor, die Belastung durch die Krankenkassenprämien zu senken. Sie will dafür festschreiben, dass die von der obligatorischen Krankenversicherung übernommenen Kosten nicht stärker als die Gesamtwirtschaft und die Löhne steigen dürfen. Ansonsten müssen Bund und Kantone Massnahmen zur Kostensenkung ergreifen, die ab dem nachfolgenden Jahr wirksam werden. Was auf den ersten Blick sympathisch klingt, hat bei näherer Betrachtung aber einschneidende Konsequenzen für unser Gesundheitswesen. Das Problem im Gesundheitswesen sind nicht primär die steigenden Kosten, sondern dass diese auf unsoziale Weise über die bestehenden Kopfprämien finanziert werden. Dieses Problem geht die Kostenbremse-Initiative nicht an. Sie wird aber den Druck auf das Gesundheits- und Pflegepersonal weiter erhöhen und so zu noch mehr Berufsaustritten führen. Für die Bevölkerung dürfte die Kostenbremse zudem einen Leistungsabbau sowie, im schlimmsten Fall, eine Rationierung von medizinisch notwendigen Leistungen in der Grundversicherung bedeuten. Die Kostenbremse-Initiative ist damit ein grosser Schritt hin zu einer unsozialen Zweiklassenmedizin.
Hinzu kommt, dass die Koppelung der Gesundheitskosten an die Wirtschaftsleistung grundsätzlich falsch ist. Das Gesundheitswesen muss sich an den Bedürfnissen der Patient*innen ausrichten und nicht an der Konjunktur, zumal Krankheiten gerade in wirtschaftlichen Krisen zunehmen: Armut macht krank! Die Initiative würde ausserdem auch den Spielraum für wünschenswerte oder notwendige Kostensteigerungen, z.B. aufgrund der demographischen Entwicklungen, des medizinischen Fortschritts oder wegen unvorhergesehenen Ereignissen wie einer Epidemie, erheblich einschränken. Das Parlament hat im Übrigen auch zur Kostenbremse-Initiative einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet. Dieser sieht u.a. Kosten- und Qualitätsziele für das Gesundheitswesen vor, womit ein zentrales Anliegen der Initiative eigentlich bereits umgesetzt ist.
Aus Grüner Perspektive gibt es verschiedene Bereiche im Gesundheitswesen, bei welchen Kosten gespart werden könnten und die somit auch die Prämienbelastung senken würden. Am effektivsten wäre es, wenn wir mehr Mittel in die Gesundheitsförderung und die Prävention investieren würden – und somit mehr Krankheiten vermeiden, statt sie zu behandeln. Und auch die Finanzierung des Gesundheitswesens muss – unabhängig vom Ausbau der Prämienverbilligungen – sozialer werden: Weg von den unsozialen Kopfprämien, hin zu einkommens- und vermögensabhängigen Prämien. Wir GRÜNE setzen uns über diesen Abstimmungssontag hinaus für einen grundsätzlichen Systemwechsel im Gesundheitswesen ein – statt für noch mehr Pflästerlipolitik.
Ja zur sozialen Prämienentlastung
Die hohen Krankenkassenprämien gehören neben der Klimaerhitzung zu den grössten Sorgen der Bevölkerung. Kein Wunder, denn sowohl der globale CO2-Ausstoss wie auch die Krankenkassenprämien sind in den letzten 30 Jahren massiv angestiegen. Die Krankenkassenprämien haben sich in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt. Und sie sind viel stärker gestiegen als die Löhne, die Renten oder die Prämienverbilligungen. Die Folge? Die Krankenkassenprämien sind heute für viele Menschen, insbesondere auch für den Mittelstand, zu einer hohen finanziellen Belastung geworden: Aufgrund ausstehender Zahlungen werden jährlich gar rund 400’000 Menschen von den Krankenversicherern betrieben!
Doch der Bundesrat, das Parlament und die Kantone bleiben untätig. Statt vermögens- und einkommensabhängige Prämien einzuführen oder die staatliche Finanzierung des Gesundheitswesens zu stärken, wird ein immer grösserer Anteil der Gesundheitskosten über die unsozialen Kopfprämien finanziert. Und statt die Prämienverbilligungen auszubauen, stehlen sich immer mehr Kantone aus ihrer Verantwortung. Eine Annahme der Prämien-Entlastungs-Initiative würde dies ändern und viele Haushalte finanziell entlasten: Zukünftig sollen die Krankenkassenprämien maximal 10% des Haushaltbudgets ausmachen – wie dies auch der Bundesrat bei der Einführung des Krankenkassenobligatoriums versprochen hat.
Nein zum unsozialen Leistungsabbau, Nein zu noch mehr Druck für das Gesundheitspersonal
Die Kostenbremse-Initiative will zwar die Kosten im Gesundheitswesen bremsen, sie sagt aber nicht wie und wo gespart werden soll. Bereits klar ist aber, dass der Druck auf das bereits stark belastete Gesundheits- und Pflegepersonal weiter steigen wird. Denn Gesundheitskosten sind zu einem Grossteil Personalkosten. Bei den Spitälern beispielsweise machen die Personalkosten zwei Drittel des Betriebsaufwands aus.2 Wird hier gespart – durch Personalabbau oder eine Verschlechterung der Löhne oder der Arbeitsbedingungen – werden noch mehr Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen aussteigen. Das gefährdet letztlich auch die Gesundheitsversorgung.
Doch die Kostenbremse-Initiative wäre nicht nur für das Gesundheitspersonal, sondern auch für die Bevölkerung fatal. Sogar der Bundesrat befürchtet, dass medizinisch notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Behandlungen nicht mehr durchgeführt würden, weil die Mittel dafür fehlen. Und auch eine Rationierung von Leistungen und Behandlungen wäre denkbar, weil beispielsweise die Alterung der Bevölkerung oder der medizinische Fortschritt von der Initiative nicht berücksichtigt werden. Doch Leistungen welche von den Krankenversicherungen nicht mehr vergütet werden, sind für die breite Bevölkerung auch nicht mehr zugänglich. Behandelt würde dann noch wer Glück hat – oder wer über eine teure Zusatzversicherung verfügt oder die Behandlung selbst bezahlen kann: Leistungsabbau und Rationierung bei der medizinischen Versorgung trifft primär arme und kranke Menschen! Die Kostenbremse-Initiative stellt damit ein grosser Schritt hin zu einer unsozialen Zweiklassenmedizin dar, den es unbedingt zu verhindern gilt.
Pflästerlipolitik reicht nicht mehr aus: Es braucht einen Systemwechsel
Sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative wie auch die Kostenbremse-Initiative sind Ausdruck davon, dass das System der unsozialen Kopfprämien und der kantonalen Prämienverbilligungen an den Anschlag gekommen ist. Eine Annahme der Prämien-Entlastungsinitiative kann die Bevölkerung zumindest für die nächsten Jahre entlasten. Mittelfristig jedoch braucht es einen Systemwechsel hin zu einer sozialen Finanzierung des Gesundheitswesens. Die Schweiz kann sich eine hervorragende Gesundheitsversorgung weiterhin leisten – sofern die Kosten dafür fair verteilt sind. Die GRÜNEN setzen sich darum vehement dafür ein, dass die unsozialen Kopfprämien durch einkommens- und vermögensabhängige Prämien abgelöst werden.3 Dadurch würde ein Grossteil der Bevölkerung nachhaltig entlastet und das Gesundheitswesen – wie beispielsweise auch die AHV – von der gesamten Bevölkerung gemeinsam gemäss ihren jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten finanziert.
Um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, muss der Fokus zukünftig stärker auf die Vermeidung von Krankheiten statt auf deren Behandlung gelegt werden – dafür braucht es eine eigentliche Offensive im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung, z.B. mit einem Gesundheitsgesetz, wie wir GRÜNE das schon lange fordern.4 Auch die Bekämpfung der Klimaerhitzung, des Biodiversitätsverlustes und der sozialen Ungleichheit trägt zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen bei: Eine gesunde Zukunft gibt es nur in einer gesunden Umwelt. Schliesslich besteht auch bei den hohen Medikamentenpreisen, bei den Verwaltungskosten der Versicherer sowie bei den hohen Löhnen einiger Chefärztinnen und Chefärzte grosses Sparpotential. Es sind jedoch dieselben Kreise, welche die Kostenbremse-Initiative eingereicht haben, die hier nachhaltige Lösungen verhindern.