Interpellation: Welches Verständnis von Medienfreiheit & Transparenz hat der Regierungsrat?
Die Ereignisse rund um die Umsetzung russischer Sanktionen sowie Kontakten zwischen der Regierung und Firmen, welche von russischen Oligarchen kontrolliert werden, haben diverse Fragen aufgeworfen. Wie aus der Antwort auf die kleine Anfrage der ALG vom 03.12.2022 hervorgeht, übernimmt die Zuger Regierung Anwaltskosten eines Regierungsratsmitgliedes, welches mit den Anwälten gegen unliebsame Berichterstattung vorging.
Bei Medienexperten sorgt dieses Vorgehen für Stirnrunzeln. «Dass die öffentliche Hand für den Anwalt eines Regierungsrats aufkommt, um gegen Berichterstattung vorzugehen, habe ich noch nie gehört», sagt der ehemalige Rechtsberater von Tamedia, Simon Canonica. Die Präsidentin des Presserats, Susan Boos warnt: «Demokratie ist auf kritische Berichterstattung existenziell angewiesen. Es kann also nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein, wenn Medien verstummen, weil sie durch Gerichtsverfahren eingeschüchtert werden.»
Weitere Fragen stellen sich in Bezug auf das Öffentlichkeitsgesetz. So verweigert die Regierung auf eine entsprechende Anfrage hin das Offenlegen der Korrespondenz mit den Anwälten und macht geltend, dass die E-Mails mit dem Anwalt um private und nicht um amtliche Dokumente handelt. Dies, obwohl der Regierungsrat in seinem Amt gehandelt hat und die Staatskasse für die Kosten aufkommt.
Auch weitere Dokumente, nämlich die Korrespondenz von Eurochem und dem Staat, bleibt mit Verweis auf das Wirtschaftsförderungsgesetz unter Verschluss. Aus Sicht der ALG stellt sich beispielsweise die Frage, wie das Wirtschaftsförderungsgesetz im Verhältnis zu Öffentlichkeitsgesetz steht und auf welcher gesetzlichen Grundlage juristische Kosten für privatrechtliche Rechtsstreitigkeiten abgerechnet werden können.
In diesem Zusammenhang stellt die ALG folgende Fragen:
- Auf welcher gesetzlichen Grundlage übernimmt die Staatskasse die Anwaltskosten von Regierungsrat Heinz Tännler?
- Wie erklärt sich der Regierungsrat den Widerspruch, dass die Korrespondenz mit dem Anwalt privat sein soll, die Kosten jedoch von der Staatskasse getragen werden?
- Hat der Regierungsrat Kenntnis von ähnlichen Fällen in der Schweiz, bei welchen staatlich bezahlte Anwälte gegen Medien vorgingen? Gibt es Fälle, bei welchen bereits, bevor ein Artikel überhaupt erschienen wurde, mit juristischen Schritten gedroht wurde?
- Wurden vor dem Ergreifen von juristischer Schritte auch mildere Massnahmen, wie dem Verlangen einer Gegendarstellung oder einer Beschwerde beim Presserat, oder dem Versand einer Medienmitteilung geprüft oder gar umgesetzt?
- Inwiefern waren die gestellten journalistische Fragen rufschädigend?[1]
- Müssen auch andere Medien damit rechnen, dass sie bei kritischen Fragen mit Anwälten konfrontiert werden?
- Wie kann sichergestellt werden, dass finanzielle Interessen bzw. das Wirtschaftsförderungsgesetz nicht als Deckmantel genutzt wird, um das Öffentlichkeitsprinzip zu umgehen?
- Weshalb weigert sich der Regierungsrat, die Korrespondenz zwischen dem Amt für Wirtschaft sowie der Finanzdirektion und die Informationen, welche der Regierungsrat offenzulegen? Können allfällige Teile, welche „Geschäftsgeheimnisse“ enthalten, nicht einfach geschwärzt werden?
- Werden mit der Argumentation, dass bei einer Veröffentlichung werde «dieses Vertrauensverhältnis massiv gestört”[2] werde, nicht jegliche Korrespondenzen mit Zuger Firmen vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen?
[1] vgl. https://www.zugerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/fall-eurochem-zuger-steuerzahler-bezahlen-privat-engagierten-anwalt-von-heinz-taennler-ld.2402177
[2] https://www.zentralplus.ch/politik/zuger-regierung-haelt-eurochem-mails-geheim-2505954/